mind.in.a.box interview:

mind.in.a.box - Interview for magazine 'Mad Goth Magazine', Interviewer:'Jermaine Belgardio', about: 'R.E.T.R.O', Date: 2010-03-21
 
Link: Mad Goth Magazine
 
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Das aktuelle MIND.IN.A.BOX Album “R.E.T.R.O.” kassiert aktuell Bestwertungen und auch innerhalb der Hörerschaft stößt das Werk auf jede Menge Gegenliebe. Möglicherweise auch und gerade weil das Duo mit dem Release mal den “normalen” Pfad, den man von mind.in.a.box gewohnt ist, verlassen hat und stattdessen mutig neue (und doch alte) Wege beschreitet. Das Konzept hinter R.E.T.R.O., das sich ja den goldenen Tagen des Commodore 64 Heimcomputers widmet, hat uns neugierig gemacht, so dass wir den Herren von mind.in.a.box mal ein paar Fragen bezüglich R.E.T.R.O. zukommen ließen. Die Antworten könnt Ihr nun an dieser Stelle nachlesen. Wir bedanken uns noch einmal sehr herzlich für die ausführlichen Antworten und wünschen Euch nun viel Spaß!
 
Zunächst mal: wie kommt man auf die Idee, eine Art “C64 Tribute” Album aufzunehmen? Da steckt doch sicher eine Art Reifeprozess dahinter? Zumal Stefans Remix von “Lightforce” für fleissige MIAB Hörer nichts Neues darstellen dürfte…
Stefan: Ja da hast du recht es hat zunächst doch eine Zeit lang gedauert bis ich überhaupt den Entschuß traf ein komplettes Album über dieses Thema machen zu wollen. Es begann alles mit den ersten beiden Remixen zu “Last Ninja 3 ” und “Lightforce” die wir ja auf remix.kwed.org zunächst online stellten. Ich hatte zu dieser Zeit einfach den Drang diese Tracks neu aufzuarbeiten und ich wollte sehen was ich daraus machen konnte. Nachdem dann beide Remixe auch von der “Hardcore C64 Community” gut aufgenommen wurde und Markus und ich bereits an dem “8 Bits” Song bastelten stand die Entscheidung, ein komplettes Album machen zu wollen, bereits fest. Was zu dieser Zeit allerdings nicht fest stand war, ob wir es auch unter mind.in.a.box veröffentlichen sollten.
 
Wie sah Eure Herangehensweise aus? Nach welchen Kriterien habt Ihr die Songs ausgewählt, welche es letztendlich im MIAB-Format auf das Album geschafft haben?
Stefan: Das war wirklich nicht einfach bzw. es wurde zunehmend schwieriger für mich geeignete Tracks zu finden. Es gibt ja wahrlich genug gute SID Musik, also Musik vom Commodore 64, allerdings sah ich nur bei wenigen eine Möglichkeit sie in meiner gewünschten Vorstellung umsetzen zu können. Man kann natürlich jede Musik “irgendwie” remixen aber ich hatte diese Vorstellung sie, bildlich gesprochen von ihrem Sound her zu “vergrößern” und sie quasi von ihrer Klangbreite aus gesehen in die heutige Zeit zu transferieren. Sie sollten so klingen wie sie aus meiner Sicht ohne die technischen Begrenzungen von damals, die der SID Chip mit sich brachte, klingen hätte können. Ich sah diese Möglichkeit nur bei bestimmten, wenigen Tracks es schaffen zu können.
 
Die 8 Bit Ära scheint ja in diesem Jahr eine besondere Renaissance zu erleben. Habt Ihr eine Idee, woher das neuerliche Interesse vor allem an der Musik jener goldenen Tage kommt?
Stefan: Ich glaube das ist mehr Zufall. Unser R.E.T.R.O Album war zum großen Teil sehr lange Zeit vor dem jetzigen Release fertig. Wir wußten nur nie so recht wo, wann und unter welchem Namen wir es veröffentlichten sollten. Mit viel Glück hätte R.E.T.R.O in unserem Falle auch schon vor mehr als einem Jahr veröffentlicht werden können.
 
Wie sind denn die Resonanzen auf Euer R.E.T.R.O. Album ausgefallen? Gerade mit mind.in.a.box verbinden viele sicherlich eine bestimmte Art elektronischer Musik, bei der R.E.T.R.O. ja doch etwas aus dem Rahmen fällt.
Stefan: Erstaunlich gut. Ich habe um ehrlich zu sein mit viel, viel schlimmeren gerechnet weil es wie du richtig schreibst ein krasser Bruch zu unseren bisherigen Alben darstellt. Ich kann mir gut vorstellen wie es für einige mind.in.a.box Fans sein muß zu lesen, das wir nun ein Retro Album veröffentlichen. Das war wohl ein harter Schlag. Es tut uns sehr leid, wir mußten das einfach tun. Es war uns aber wirklich ein tiefes Bedürfnis dieses Album zu veröffentlichen. Dafür freuen sich aber vielleicht auch ein paar Leute aus der Computerecke.
 
Der ehrliche Käufer Eurer CD darf ja dank eines Codes im Booklets weitere Songs über Eure Website herunterladen, unter anderem eine zehnminütige Version von “Walking”. Im Begleittext heisst es, dass es wenigstens 10 verschiedene Versionen dieses Songs gab, bis Ihr mit dem Ergebnis zufrieden gewesen seid. Wie lange habt Ihr denn an den Songs von R.E.T.R.O. im Schnitt herumgeschraubt, bis sie Euren Vorstellungen entsprachen? Und – Perfektionisten wie Ihr scheinbar seid – kribbelt es Euch im Nachhinein in den Fingern, noch mal Veränderungen vorzunehmen?
Stefan: Walking war damals mit Sicherheit eine Ausnahme. Ein Hauptgrund warum es von dem Song so viele Versionen gab war weil wir zunächst Walking als Single veröffentlichen wollten und wir da einfach zig Versionen machten und damit aber nie vollständig zufrieden waren. Ich war ehrlich gesagt auch mehr von Change überzeugt als von Walking. Nunja lange ist es her.

Ich war damals auch noch nicht so…sagen wir routiniert. Im Schnitt sage ich, ich arbeite etwa zwei Wochen an einem Song. Die liegen dann noch Ewigkeiten auf der Festplatte herum bis der Albumrelease naht und wenn ich dann die MasterCD fertig mache höre ich alles nochmal durch und mache auch gegebenfalls noch Änderungen an den Songs bis wirklich, für meine Ohren, alles passt. Das wichtigste ist das man ehrlich zu sich selbst ist. Manchmal ertappt man sich dabei zu sich selbst zu sagen “ach das hört eh keiner”. Genau um das geht es aber, wenn dir selbst noch irgend etwas auffällt an einem Song dann mußt du es ändern bis dir einfach nichts mehr daran auffällt. Genau dann ist man nämlich mit dem Song fertig. Man muß also auch eine große Geduld mit sich bringen denn die Feinarbeit dauert wie so oft am längsten und macht dann aber auch den großen Unterschied aus, finde ich.
 
Welchen Bezug habt Ihr zum C64? Von den musikalischen Qualitäten abgesehen?
Stefan: Unsere gesamte Kindheit hat sich zu einem großen Teil vor dieser Kiste abgespielt. Das war schon ein tolles Ding wie etwas aus der Zukunft mit dem man Sachen machten konnte die niemand zuvor bereits gesehen hat. J Das war wirklich alles total spannend. Markus war ein sehr guter Assembler programmierer zu dieser Zeit und ich…naja meine Sachen waren weniger toll aber es war der elektronisch/musikalische Start..
 
Von R.E.T.R.O. abgesehen – spielt der C64 auch sonst in Eurem musikalischen Tun eine Rolle?
Stefan:Nein eigentlich nicht. Heute geniesse ich den Luxus mit moderner Technik arbeiten zu können.
 
Sieht man mal von den Helden der C64er Zeit ab – gibt es sonst Musiker, die Euch inspirieren?
Stefan: Meine elektronischen Heroes kamen damals hauptsächlich aus der Computerecke. Das begann eben mit den C64 Komponisten und ging dann am PC weiter mit Musikern wie Skaven und Purple Motion von der Computerdemogruppe “Future Crew”. Das war für mich musikalisch gesehen einfach unglaublich geil was diese Jungs machten. Ich hatte da auch nie so einen Draht zu dem “normalen elektronischen Musikbereich” und ich kannte die meisten unserer jetzigen Musikerkollegen garnicht. Klar, die großen elektronischen Superstars wie Jean Michel Jarre oder Vangelis waren z.B. schon auch sehr präsent in meinen musikalischen vier Wänden aber allzuviel anderes kannte ich da garnicht.
 
Kennen die Originalkomponisten (Chris Hülsbeck zum Beispiel) Eure Arbeiten? Wenn ja, wie gefällt denen Eure “Frischzellenkur”?
Stefan: Ich weiß es ehrlich gesagt nicht ob sie unsere Musiken kennen. Ich kann nur hoffen das sie ihnen gefallen. Es wäre mir eine sehr große Freude.
 
Die C64-Ära hat ja noch etliches mehr an tollen Songs bzw. Soundtracks hervorgebacht. Sicherlich noch genug, um noch ein zweites R.E.T.R.O. Album damit zu füllen. Gibt es Pläne bezüglich einer Fortsetzung?
Stefan: Nein zur Zeit nicht. Mit R.E.T.R.O haben wir denke ich dieses Kapitel vorerst abgeschlossen. Unser nächstes Album wird eine Fortsetzung von unseren bisheren mind.in.a.box Alben sein und wird dort anknüpfen wo Crossroads aufhörte. Auf dieses Album freue ich mich schon besonders. Seit gespannt. Ich glaube es wird mein persönlicher Favorit.
 
Und sollte es doch ein weiteres R.E.T.R.O. Album geben – wie stehen denn die Chancen einer Neuvertonung der Turrican Titelmelodie?
Stefan: lol. Ich fürchte sobald wird das leider nichts. Turrican war aber wirklich geil, da hast du recht.
 
Stichwort Fortsetzung: Gibt es denn schon etwas zu dem neuen, “herkömmlichen” MIAB-Album zu erzählen?
Stefan: Die arbeiten an dem nächsten “normalen mind.in.a.box Album” sind schon relativ weit fortgeschritten. Ich schätze so bei etwa 70 Prozent und wir hoffen es noch bis Ende dieses Jahres veröffentlichen zu können. Der Titel steht auch schon fest, den will ich allerdings noch nicht verraten. Bitte noch um etwas Geduld.
 
Inzwischen gab es ja auch ein paar Live-Konzerte von Euch. Wie sieht es denn mit den vielen Festivals aus, welche in der Szene veranstaltet werden, M’era Luna zum Beispiel, Blackfield oder Amphi – wird man mind.in.a.box auch in nächster Zukunft mal auf einem solchen bewundern können?
Stefan: Für die größten Festivals sind wir heuer leider zu spät dran gewesen. Hoffentlich können wir das nächstes Jahr nachholen. Wir werden allerdings sicherlich auf dem ein oder anderen Club oder Festival dieses Jahr noch zu sehen sein. Eine Tour ist auch noch nicht ganz ausgeschlossen für 2010.
 
Ich erwähnte vorhin die ehrlichen Käufer… Wie sehr hat denn eine Band wie MIAB unter illegalen Downloads zu leiden? Euer Label hatte zwischendurch aufgrund dieser mal die Segel gestrichen und zeitweilig den Betrieb eingestellt.
Stefan: Ehrlich gesagt, keine Ahnung.

Ich habe das Musik Business nie anders kennengelernt. Als wir unser erstes Album Lost Alone rausbrachten war das gerade zu der Zeit wo die große Musikkrise begann. Seitdem geht es generell bergab mit CD-Verkäufen.

Ich will eigentlich nicht viel herumjammern, das ist nun mal das digitale Zeitalter in dem wir leben. Die goldenen Zeiten der Musikindustrie sind vorbei. Die meisten Künstler können nicht von der Musik leben. Es ist „nur“ ein Hobby für uns, mehr nicht. Ok, vielleicht ein großes Hobby. J Der Trend könnte dorthin gehen das die Labels ihre Arbeit in Zukunft auch nur als Hobby machen werden können, zumindest im Indi Bereich.
Ich würde aber auch ohne Geld dafür zu bekommen weiterhin Musik machen wie wahrscheinlich viele andere Künstler auch, was jetzt aber nicht heißen soll das ihr unsere Alben nur downloaden sollt. Ihr könnt es so sehen… durch jede gekaufte CD können wir mehr Zeit in unser Hobby investieren und ihr bekommt dadurch schneller ein neues mind.in.a.box Album.
 
Ihr seid selbst lange genug Musikschaffende – wie beurteilt Ihr die Entwicklung der Musiklandschaft? Sowohl in qualitativer Hinsicht als auch im Bezug auf Downloads und ähnliches? Sony hat gerade angekündigt, die CD aussterben lassen zu wollen – könnt Ihr Euch vorstellen, nur noch digital Musik zu veröffentlichen?
Stefan: Ich glaube nicht das es soweit kommen wird. Einen physischen Tonträger in Händen zu halten finde ich viel geiler als einfach nur ein mp3 auf der Festplatte, auch wenn die Daten auf der CD selbst ja auch nur digital sind. Aber es ist halt etwas besondereres, eine CD oder Platte.
Generell habe ich das Gefühl das die Qualität der Musik aber zurück gegangen ist. Warum das so ist hat denke ich damit zu tun, das heute nahezu jeder Musik machen und veröffentlichen kann und somit eine unglaubliche Flut an Musik veröffentlicht wird.
Es gibt nach wie vor gute Musik, die geht aber mehr in der Masse unter als früher das der Fall war weil diese Hürden, die früher Leute gehabt haben um Musik veröffentlichen zu können, nicht mehr existieren. Das ist nun einerseits toll aber hat eben auch solche Nachteile.

Ich kann das aus eigener Erfahrung sagen. Seit froh das es zu meinen jungen Jahren diese Hürden wie Tonstudio/Labels gab denn dann hätte ich euch mit meinen damaligen schlecht produzierten Müll zugemüllt.
 
Ein kurzer Blick in die Zukunft: wo seht Ihr mind.in.a.box in 10 Jahren? Wo wollt Ihr hin, was erreichen?
Stefan: Das ist ganz schwierig. Ich bin eigentlich recht glügklich zur Zeit wie es läuft. Wir haben es auf die Bühne geschafft und können jene Musik machen die wir machen wollen. Ich hoffe an diesen Grundfesten wird sich nichts ändern und alles weitere wird sich denke ich ergeben. Ich denke unsere Livesache wird von der Wichtigkeit noch deutlich steigen und ich hoffe das uns die Ideen, auch in 10 Jahren, nie ausgehen werden.
 
Die letzten Worte gehören Euch.
Stefan: Ich bin immer wieder überrascht was für geniale Fans wir haben. Einen herzlichen Dank dafür!