mind.in.a.box interview:

mind.in.a.box - Interview for magazine 'Synthesizer Magazin 04/2007', Interviewer:'François Duchateau', about: 'mind.in.a.box', Date: 2007-04-01
 
Link: Synthesizer Magazin 04/2007
 
Mind.In.A.Box sind mehr als ein bloßes Electro-Projekt. Das Dependent-Duo spannt den Bogen vielmehr bei jedem Release immer ein bisschen weiter, als man es von anderen Genrefreunden gewohnt ist. Geschichten rund um die Songs, ja Konzepte, die sich bis ins Internet tragen, machen ihre Veröffentlichungen zu mehr als bloßen Silberlingen für den CD-Schrank. „Crossroads“ heißt ihr neuestes Kapitel, und der Protagonist muss sich nun entscheiden, welchen Weg er einschlägt. Wir nahmen Musiker Stev ins Kreuzfeuer, um etwas mehr über die Arbeit in und um Mind.In.A.Box zu erfahren. Magst du dich unseren Lesern einmal persönlich vorstellen?
Mein Name ist Stefan Poiss alias “Stev”, 32Jahre alt, geboren in Wien und lebe auch in dieser wunderbaren Stadt. Zurzeit Fulltime-Komponist/Produzent. Zeitweise als Programmierer tätig. Meine Hobbies sind Inline-Skaten und Snowboarden. In der Band Mind.In.A.Box übernehme ich Gesang, Komposition und Produktion.
 
Welche Synthesizer befinden sich in deinem Studio?
Das sind: Roland JV880, Waldorf Pulse, Korg Wavestation SR, Waldorf Microwave XT, Roland JP8080 und zu guter Letzt der Access Virus TI.
 
Der war sicherlich auch dein letzter Einkauf?
Ja, richtig.
 
Welchen Synth aus dem Arsenal würdest du als deinen Liebling bezeichnen?
Den Roland JP 8080, weil er sehr angenehm klingt und sehr gut zu bedienen ist. Er macht das, was er soll, und man kann sehr schnell mit ihm arbeiten. Das schätze ich sehr an dem Gerät, obwohl er auch ein paar Macken hat. Trotz allem arbeite ich mit ihm sehr gerne.
 
Deine Geheimwaffe?
Einen Arbeitsplatz zu haben, an dem ich schnell arbeiten kann, ist für mich eines der wichtigsten Dinge, um Kreativität umsetzen zu können. Oft ertappt man sich dabei, eine Idee zu verwerfen, weil man beispielsweise Kabel A an Anschluss B anschließen müsste und es dann aber aus Bequemlichkeit nicht macht. So etwas finde ich immer schlecht. Der Aufwand sollte kein Hindernis darstellen. Es zählt im Endeffekt immer nur das Resultat.
 
Welcher Synthesizer ist sehr typisch für euren Sound, würdest du sagen?
Vielleicht der alte Roland JV880. Meine Lieblings-Strings und Pads stammen meist noch immer von diesem Gerät.
 
Wann fing deine Passion für elektronische Musik und Synthesizer überhaupt an?
Vor etwa 20 Jahren mit dem Commodore C64 und dem SID-Chip. Reine Synthesizer waren zu der Zeit für mich unerschwinglich. Ich arbeitete zusammen mit Markus an diversen eigenen Computerspielen und vertonte in Folge das Spiel 'Oldtimer' am PC. Markus schrieb die Soundroutinen und den Sequencer 'MFD', den er speziell für mich entwickelte und der zunächst als reiner Adlib-Sequencer diente. Adlib hießen damals die ersten Soundkarten am PC, die, ich glaube, neun Stimmen und zwei Drum-stimmen zugleich erzeugen konnten. Das ganze klang ein wenig wie ein Gepiepse mit ein paar Rausch-Percussion-Klängen. Vom Sound her nicht so eindrucksvoll wie der C64, aber dafür gab es Stimmen. Wir versuchten damals, alles aus dem Ding an Klang herauszuholen, arbeiteten mit Filtertabellen usw. Der Sequencer “MFD” wurde von Markus später auf MIDI erweitert, und ich arbeitete noch lange Zeit damit, auch als schon jeder andere einen audio-fähigen Sequencer verwendete. Die meisten Songs aus unserem ersten Album 'Lost Alone” schrieb ich ursprünglich noch damit. Irgendwann musste ich natürlich dann umsteigen, und das war dann auch der Zeitpunkt, als ich von der Computer-spiele-Musik in die professionelle Musik wechselte und Mind.In.A.Box gegründet wurde. Markus schreibt übrigens heute die Texte für Mind.In.A.Box.
 
Wie sieht euer Arbeitsplatz aus?
Sehr kompakt, und mittlerweile ist etwas zu wenig Platz. Ich habe es aber sehr gerne, so umzingelt zu sein von elektronischen Geräten. Der Vorteil davon ist, dass ich fast alles unmittelbar bedienen kann, das ist für mich ungemein wichtig.
 
Zu euren besten Livetools brauche ich euch ja nicht zu fragen…
Es gab von Mind.In.A.Box bis dato keine Live-Auftritte, ja. Wir kriegen zwar laufend Anfragen, aber bis jetzt schafften wir es nicht. Vielleicht lassen wir uns doch noch einmal dazu überreden.
 
Ihr setzt sehr auf Vocoder – was mögt ihr so an ihnen?
Ich setze oft einen Vocoder ein, um eine distanzierte Art der Sichtweise unserer Erzählungen als Ergänzung zu meiner natürlichen Stimme darzustellen. Das ist gerade für unser Projekt Mind.In.A.Box sehr wichtig, da sich in unseren Alben eine science-fiction-artige Story durchzieht und wir damit aus mehreren Ebenen erzählen können. Nichtsdestotrotz finde ich einen Vocodersound einfach cool, und es passt vom Sound perfekt zu unserer elektronischen Science-Fiction-Vorstellung.
 
Welches ist euer Lieblingsvocoder, und wie geht ihr mit ihm um?
Ich habe den eingebauten Vocoder vom JP8080 gerne verwendet. Der kam beispielsweise in dem Song “Lost Alone” von dem gleichnamigen Album zum Einsatz. Die Sprachverständlichkeit bei ihm ist allerdings nicht allzu gut. Sehr gut gefällt mir auch der Softwarevocoder 'Vokko'. Es hilft meistens, die Vocalspur, bevor sie in den Vocoder geht, mit EQs zu bearbeiten und beispielsweise Höhen und Tiefen zu cutten. Auch ein Bitcrusher auf der Vocalspur kann helfen, bevor sie in den Vocoder geht. Dann klingt es auch gleich mehr nach Retro. Unseren typischen Vocodersound von den Songs 'Change” oder “Lament for Lost Dreams” will ich aber nicht verraten, da man diesen Sound schon sehr mit Mind.In.A.Box in Verbindung bringt.
 
Was war neu für euch auf der aktuellen CD?
Wir versuchen natürlich, jedes Album besser zu machen als das vorige. Man schiebt den Punkt der eigenen Zufriedenheit immer weiter hinaus, und es wird dadurch zwangsläufig immer aufwendiger. Ich versuche, mich mit vielen anderen Musikstilen auseinanderzusetzen und daraus zu lernen. Auseinanderzusetzen heißt für mich, es einfach auszuprobieren, denn nur zuhören ist zu wenig. Wenn man selber versucht, beispielsweise ein Orchesterstück oder einen Desert-Rock-Song zu machen, lernt man viel mehr dazu. Das kann kompositorisch sein, aber auch produktions/abmischungstechnisch. Ich suche oft diese musikalische Herausforderung und versuche, unsere rein elektronische Musik mit diesem gelernten Wissen zu ergänzen. Im Detail würde ich unser neues Album “Crossroads” von der emotionalen Bandbreite aus größer einschätzen. Es sind ein paar Songs dabei, die aggressiver sind, als man es von uns erwarten würde, vor allem auf der gesanglichen Ebene.
 
Könnt ihr schon was zu den inhaltlichen Themen und Konzepten sagen?
Nun ja unsere Mind.In.A.Box-Story geht auch mit diesem Album weiter. Das Hauptthema dieses Albums ist Identitätsverlust bzw. alle Facetten davon. Es geht um die Suche nach sich selbst: wo man eigentlich steht, wer man selbst ist, und welchen Weg man einschlagen will. Daher auch der Albumtitel „Crossroads“. Im Mittelpunkt der Story steht diesmal “Black”, der wesentliche Protagonist aus „Dreamweb“. Crossroads“ ist vor allem sein Album. Im Gegensatz zu seiner Vergangenheit bekommt er nun Zweifel, auf wessen Seite er eigentlich steht. Mehr will ich hier nicht verraten. In unserem Booklet haben wir auch erstmals eine geschriebene Story abgedruckt, die mehr Details der Story preisgibt, als es uns alleine mit den Song-texten möglich wäre.
 
Das größte Experiment auf „Crossroads“?
Der Song “The Place”, der mit einem Klavierstück beginnt und sich in sphärische Flächen verliert, sowie der Song Run for Your Life”. Letzterer hat einen orchestralen Beginn und geht in ein sehr hartes Stück über. Das war sehr spannend umzusetzen.
 
Du hast ja erzählt, dass du Videogames designst. Kannst du uns noch ein bisschen mehr über deine Arbeit erzählen, auch, wie du zu dieser Aufgabe gekommen bist?
Wir waren und sind bis heute Idealisten und haben immer versucht, unser eigenes Ding durchzuziehen, und so arbeitete ich mit Markus hauptsächlich an eigenen Computerspielen, die teilweise nie unsere Schubladen verließen. Das größte Projekt war “Parsec - there is no safe distance”, ein Freeware-3D-Space-Shooter, dem wir alleine etwa fünf Jahre unserer Freizeit opferten. Das Projekt war unglaublich aufwendig für ein Freewarespiel. Ich schrieb in diesen Jahren dafür sicherlich drei komplette Soundtracks. Das war aber echt eine coole Zeit. Wir hatten mit der kommerziellen Computerspiele-Szene außer Oldtimer kaum etwas zu tun, und dennoch verbrachte ich mehr als zehn Jahre damit, Computerspiele zu vertonen. Die Zeit vergeht einfach zu schnell.
 
Worin siehst du denn den Hauptunterschied zwischen der Erstellung von Mind.In.A.Box-Tracks und der von Game-Soundtracks?
Die Musik in Computerspielen ist eher mit Filmmusik zu vergleichen. Sie darf nicht zu aufdringlich sein und ist auch aus diesem Grund meistens instrumental. Man muss gezielt Emotionen aus dem Spiel unterstützen, während bei normalen Songs typischerweise der zeitliche Aufbau mit Strophe, Bridge, Refrain vorgegeben ist, wobei wir uns bei Mind.In.A.Box an Letzteres nicht immer halten.
 
Gibt es Gear, das sich mehr für Soundtracks eignet als für Mind.In.A.Box?
Das hat sich stark geändert. Früher war Musik für Computerspiele an die spezielle Computerhardware gebunden. Eben der SID-Chip am Commodore 64, bei dem es beispielsweise üblich war, dass der Musiker nicht nur komponierte, sondern auch die Soundroutinen dazu programmierte. Der Musiker war also meist zugleich auch der Programmierer. Eine Rob-Hubbard-Musik klang beispielsweise damals ganz anders als eine Chris-Hülsbeck-Musik, obwohl beide ja auf dieselbe Hardware zugriffen. Danach kam für mich Adlib-Musik und erste sample-basierte Musik am PC mit den Soundblaster-Karten, bzw. am Amiga die MOD-Tracker-Musik. Erst als die Rechner schnell genug wurden, konnte man komprimierte Musik in Echtzeit zum Spiel streamen, und ab diesem Zeitpunkt war nichts mehr an Computerhardware gebunden. Heute kann im Prinzip ja jeder Musiker Musik für ein Computerspiel machen.
 
Was sind eure Game-Favoriten, und wann fing eure Passion für Computerspiele überhaupt an?
Das war wiederum am C64, obwohl mich da noch mehr die Demos interessierten. Das waren computeranimierte Bilder/ Abläufe mit Musikuntermalung. Die Last-Ninja-Reihe am C64 vor allem auch wegen der genialen Musik. System Shock am PC und Half Life.
 
Seid ihr auch so High-Tech-Freaks im Privatleben?
Eher weniger. Statt eines Handhelds verwende ich lieber einen Papierkalender. Der braucht keine Batterien und stürzt nicht ab. Aber ich bin da offen für alles, wenn ich glaube, dass es für mich Sinn macht.
 
Dependent wird demnächst leider aufhören. Wie geht es für Mind.In.A.Box weiter?
Es ist wirklich sehr schade, dass Dependent Records beschlossen haben, die Pforten zu schließen, nichtsdestotrotz muss man das einfach respektieren. Wir haben dem Label sehr viel zu verdanken und haben sehr viel zusammen erreicht. Dependent ist ein Label, von dem ich mir auch vor unserer Mind.In.A.Box-Zeit einige CDs gekauft habe, und umso trauriger ist das nun. Unser Debütalbum war auf Platz 1 in den DAC-Charts und das Folgealbum auf Platz 2, das kann sich, glaube ich, sehen lassen. Wir werden sicherlich weiterhin Musik machen und veröffentlichen. Wo, wissen wir noch nicht, aber bis dahin ist ja noch Zeit. Jetzt genießen wir einmal zusammen diesen Album-Release. Es ist wohl eine schwierige Zeit, um mit Musik noch Geld verdienen zu können, und ich fürchte, es wird in Zukunft auch nicht einfacher werden, gerade im elektronischen Independentbereich. Ich kann nur hoffen, dass Musik ihre Wertigkeit und den Respekt der Hörer zurückbekommt.