mind.in.a.box interview:

mind.in.a.box - Interview for magazine 'Terrorverlag', Interviewer:'Karsten Thurau', about: 'Dreamweb', Date: 2005-05-28
 
Link: Terrorverlag
 
Kurz zur History: Wie ist der Bandname eigentlich entstanden? Seid ihr große Fans des alten 80er Hits „Am I living in a box“?
*lach* Nein, nicht wirklich. Die Maxi-Single von diesem Song war doch viereckig oder verwechsle ich die? Der Bandname mind.in.a.box entstand aus dem Gedanken, was wir mit diesem Projekt ausdrücken wollen. Es steht für „geistig gefangen sein“ im übertragenen Sinne, sei es durch die Welt um uns herum oder die eigene Einstellung. Es heißt auch, in einem System gefangen zu sein, in dem man nicht tun kann, was man gerne möchte, wo es beispielsweise auch sehr schwierig ist, mit etwas seinen Lebensunterhalt zu verdienen, das einem wirklich etwas bedeutet.
 
Und wie entstand der Kontakt zu Dependent Records? Was bedeutet euch deren totale Unterstützung (so wie ich das von außen erkennen kann)?
Vor einigen Jahren schickte ich Dependent Records eine Demo-CD mit ein paar Songs. Einige Zeit später bekam ich einen Anruf und so kamen wir ins Gespräch. Der Weg war also denke ich der für eine Newcomerband übliche. Und Dependent Records hat einen wirklich tollen Job gemacht! Unser Debüt-Start mit Lost Alone war ja wirklich sensationell, mit dem sie sicher auch nicht gerechnet hatten.
 
Eure neue Veröffentlichung „Dreamweb“ wird bald erscheinen, welche Hoffnungen oder vielleicht auch Ängste verbindet ihr mit dem Release?
Zu allererst sind wir sehr stolz auf diese CD, da wir beide damit aus künstlerischer Sicht sehr zufrieden sind. Es ist wichtig, dass man sich selbst mit dem Endresultat voll und ganz identifizieren kann. Der Vorgänger Lost Alone bekam ja unglaublich gute Kritiken, und das wird kaum zu schlagen sein. Aber für uns ist wichtig, dass wir unseren Weg konsequent weitergehen. Die ersten Kritiken zu Dreamweb hören sich aber auch wieder verdammt gut an, was uns natürlich sehr freut
 
Habt ihr bei eurer 2ten CD einen anderen, größeren Druck von außen gespürt? Immerhin habt ihr ja selbst mit dem Debüt eine gewisse Erwartungshaltung aufgebaut...
Ja und nein. Einerseits versucht man natürlich, die Messlatte in die Höhe zu schrauben und immer besser zu werden. Auf der anderen Seite muss man Musik in erster Linie für sich selbst machen, denn ich denke nur dann kann man gelassen und entspannt arbeiten, ohne sich ständig einem bestimmten Druck ausgesetzt zu fühlen. Der Weg ist hier für mich eindeutig das Ziel.
 
Die berühmte Frage: Welche Weiterentwicklung seht ihr persönlich im Hinblick auf den Erstling „Lost Alone“?
Ich bin die Instrumentierung generell etwas offener angegangen, und das hört man in Dreamweb denke ich auch heraus. Zum Beispiel stehen Gitarren jetzt in manchen Songs mehr im Mittelpunkt. Auch auf dem Debütalbum hatte ich schon vereinzelt Gitarren eingesetzt, aber eher so, dass es keinem auffiel :) Dreamweb ist aus meiner Sicht etwas direkter, mit einer stringenteren Atmosphäre über das ganze Album gesehen. Auch direkt in Bezug auf die Rahmenhandlung. Wie ein Kritiker bereits gemeint hat, liegt in einigen Songs nun Aggressivität in der Luft, die man so von Lost Alone nicht kannte. Ich denke, das musikalische Spektrum ist einfach noch breiter geworden, aber nach wie vor mit starkem Schwerpunkt auf elektronischer Musik.
 
War es schwierig bzw. ungewohnt mit „Certainty“ einen Singletrack zu schreiben? Eigentlich seid ihr ja keine typische Single Band.
Wir denken, dass Certainty wohl der clubtauglichste Track auf Dreamweb ist, aber es ist trotzdem noch ein recht komplexer Song. Diese Verbindung reizt mich, aber es war nicht das ursprüngliche Ziel, mit Certainty einen „Single-Track“ zu schreiben. Ich habe ihn aber auch selbst schon im Club gespielt, und er kam sehr gut an.
 
Habt ihr durch euren Background im Computerspielbereich eine andere Herangehensweise ans Komponieren?
Generell trifft das vielleicht nicht zu, aber in meinem Fall stellt das sicher einen wesentlichen Einfluss dar. Msh entwickelte ja schon vor Jahren einen eigenen Sequencer für mich, auf dem ich auch über die Jahre tatsächlich hunderte Songs eingetippt habe. Im wahrsten Sinne des Wortes :) Wenn man das lange so macht, versucht man nicht nur, Melodien direkt auf dem Keyboard zu finden, sondern das Komponieren losgelöst von Instrumenten zu betrachten. Man überlegt sich dann Dinge, die so gar nicht gespielt werden könnten. Und das ergibt dann teilweise auch echt total neue Ansätze.
 
Wie entsteht überhaupt ein „typischer“ MIAB Track? Was ist zuerst da? Lyrik, Melodiebögen, Rhythmus?Wie entsteht überhaupt ein „typischer“ MIAB Track? Was ist zuerst da? Lyrik, Melodiebögen, Rhythmus?
Meistens setzen wir uns zusammen und überlegen uns gemeinsam die Stimmung, die wir mit dem Song ausdrücken wollen. Msh schreibt dann den Text, und ich komponiere die Musik. Danach versuche ich mich in den fertigen Text einzufühlen und ihn umzusetzen. Meistens arbeiten wir dann noch an einigen Feinheiten bis schlussendlich der Song unserer Meinung nach „perfekt“ passt. Ob Melodie oder Rhythmus zuerst da ist, hängt vom jeweiligen Song ab. Das ist ganz unterschiedlich.
 
Wie entscheidet ihr, welche Stimme jeweils am besten zu einem Song bzw. sogar Songpart passt? Und könntet ihr die SängerInnen mal im einzelnen vorstellen?
*lach* Der Gesang stammt ausschließlich von mir. Bei manchen Songs ist vom Text her schon klar, dass ich einen bestimmten Teil mit einer künstlichen Stimme machen werde. Der Rest ist wohl Gefühlssache, wie sich eine bestimmte Stimmung am besten ausdrücken lässt.
 
Wie kam es zu dem Einsatz von (gesampelten) Gitarren auf der neuen VÖ? Könntet ihr euch vorstellen, zukünftig noch mehr solcher Klänge zu verwenden?
Ich höre neben elektronischer auch sehr viel Gitarrenmusik, von daher besteht da schon ein gewisses Faible. Ob im dritten mind.in.a.box Album allerdings auch wieder oder sogar mehr Gitarren vorkommen werden, kann ich dir aber noch nicht sagen.
 
Ungewöhnlich sind die Dynamik/ Lautstärken Unterschiede, die ihr hin und wieder verwendet? Steht dahinter eine bestimmte Philosophie?
Nein, eigentlich nicht. Ich mache das einfach aus dem Bauch heraus. Aber ich finde, dass in der heutigen elektronischen Musik meist viel zu wenig Dynamik vorhanden ist. Von daher schwimme ich damit vielleicht etwas gegen den Strom.
 
Beide VÖs sind relativ lang ausgefallen, ist das eine Art persönliche Vorgabe oder entsteht das automatisch durch die vielen Ideen, die ihr habt?
Wir wollen den Leuten für ihr Geld einfach möglichst viel bieten. Heutzutage ist es ja nicht mehr selbstverständlich, für Musik auch zu bezahlen. Insofern versuchen wir einfach unsere Arbeit gut zu machen. Wir sind auch der Meinung, dass CDs für die heutige Zeit noch zu teuer sind. Ich hoffe das wird sich bald ändern.
 
Es fällt auch auf, dass sich auf den Full Lenghts keine Remixe befinden, seid ihr nicht die grössten Remix Fans? Und habt ihr selbst schon andere Bands „geremixed“?
Ich habe für die letzte Single von Lame Immortelle, 'Fallen Angel', einen Remix beigesteuert. Generell remixe ich aber nicht sehr gerne. Das liegt hauptsächlich am Zeitmangel. Ich konzentriere mich auf meine eigenen Ideen, die ich sonst nicht schnell genug weiterbringen könnte.
 
Wenn wir mal die lyrische Seite betrachten: Das Thema „Träume“ ist allgegenwärtig“ – Kann man von einem Konzeptalbum sprechen? Habt ihr euch ein wenig von den Matrix-Filmen inspirieren lassen oder bieten eure eigenen Träume genug Stoff. In dem Zusammenhang: Was war euer bisher schlimmster Alptraum (außer keine CDs mehr zu verkaufen:-) ?
Dreamweb kann man wahrscheinlich noch eindeutiger als Konzeptalbum sehen als den Vorgänger. Von der Hintergrundgeschichte schließt Dreamweb direkt an Lost Alone an, was auch im Intro „Tape Evidence“ musikalisch vermittelt wird. Aber wo das zentrale Thema unseres ersten Albums Einsamkeit und Entfremdung war, sind es jetzt die Träume, die auch ein ganz wesentliches Mittel sind, um genau diesem Zustand entfliehen zu können. Die einzelnen Songs behandeln die vielen verschiedenen Facetten von echten Träumen und solchen im übertragenen Sinne. Im Gegensatz zu Matrix sehen wir das Dreamweb aber nicht als virtuelle Computerwelt, mehr dazu wollen wir momentan noch nicht verraten.
 
Eine philosophische Frage: Ist das Leben ein Traum oder lebt wir unseren Traum oder denken wir vielleicht nur, dass wir leben und träumen alles?
Manchmal denke ich mir, es wäre genial, wenn das alles nur ein Traum wäre ;) Im Endeffekt ist die Frage aber wohl, ob es einen Unterschied macht, wenn wir uns daraus nicht befreien können. Im Gegensatz zu den Träumen wie wir sie kennen, haben die Träume im Dreamweb ihre Macht aber nicht nur im übertragenen Sinne.
 
Beeindruckend sind u.a. auch Stil und Ausführung der Cover Artworks. Gebt ihr Mira da freie Hand oder wird das graphische Konzept gemeinsam erarbeitet? Wird diesbezüglich auf längere Sicht eine Art Geschichte erzählt, zu denen einzelne Cover wie Puzzlestücke beitragen?
Vielen Dank! Für die Cover- und Booklet-Gestaltung machten wir jeweils eine Art „Briefing“ mit Alex (Mastny), Ingo (Römling) und Mira (Döring), damit sie sich vorstellen können, worum es uns geht, und sie haben alle hervorragende Arbeit geleistet. Vereinzelt nehmen die Bilder aus dem Booklet direkt Bezug auf unsere fortlaufende Geschichte. Die abgebildete Kassette im Booklet von Dreamweb bezieht sich etwa auf das Intro 'Tape Evidence'. Die Covergestaltung versucht jeweils das Wesentliche das Albums oder der Single bildlich auszudrücken. Wir versuchen den Grafikern aber auch Spielraum zu lassen.
 
Welche anderen Künstler, sei es aus dem elektronischen Umfeld oder nicht, haben euch in eurem musikalischen Werdegang beeinflusst?
Im elektronischen Bereich sind es wahrscheinlich eher Komponisten von Computerspielen, oder Demomusiken, als in der 'normalen' elektronischen Musikwelt. Aber obwohl man sicher von vielen Dingen bis zu einem gewissen Grad beeinflusst wird, kann ich dir keine unmittelbaren bewussten Einflüsse nennen.
 
Was genau hat es mit dem Secret Web Access auf sich, was kann der Fan erwarten?
In Dreamweb gibt es wieder einen Secret Code im Booklet. Mit diesem Code kommt man auf unserer Webpage in einen eigenen Bereich. Dort gibt es, wie schon bei Lost Alone, ein paar kleinere Überraschungen. Ohne allzu viel zu verraten, kann man sicher sagen, dass es dort beim letzten Mal ein paar exklusive Remixe oder spezielle Versionen gab.
 
Wenn ich richtig informiert bin, seid ihr noch nie live aufgetreten. Wird sich das in Zukunft eventuell ändern? Und wenn ja, wie würdet ihr MIAB live präsentieren? Mit Projektionen evt.?
Eine Liveumsetzung von mind.in.a.box wird generell eine recht komplexe Angelegenheit. Ich werde mich mit diesem Thema nun etwas intensiver befassen, konkret geplant ist allerdings noch nichts.
 
Welche aktuellen Film-/ Buch-/ Computerspielempfehlungen könnt ihr unseren Lesern geben?
Mein Lieblingsautor ist momentan der österreichische Science-Fiction und Horror Autor Andreas Gruber (http://www.agruber.com/). Sein neuester Roman ist 'Der Judas-Schrein', der gerade erst erschienen ist. Sehr zu empfehlen!
 
Arbeitet ihr momentan denn an irgendwelchen Computerspiel Soundtracks oder habt ihr durch MIAB keine Zeit dazu?
Nein, dafür fehlt uns leider im Moment die Zeit.
 
Wie schauen eure Pläne für die nahe Zukunft aus?
Im Moment spiele ich mit dem Gedanken, ältere Tracks von mir neu zu produzieren. Mal schauen, was sich sonst noch alles ergibt. Ich denke, 2005/2006 wird auf jeden Fall sehr spannend.
 
Irgendwelche letzten – verträumten – Worte?
Lasst euch fallen, und taucht ein, in das Dreamweb!